Wir freuen uns, euch auch im Oktober einen tollen Reisebericht zu unserem Projekt vorstellen zu können:
Meine Zeit in Tansania
Seit fast zwei Monaten drücke ich mich davor, diesen Bericht zu schreiben. Für mich ist meine Zeit in Tansania noch immer ein großer Haufen ungeordneter Erfahrungen, Geschehnisse, Erlebnisse, Tränen der Trauer oder Verzweiflung und das Gefühl der unendlichen Freiheit. Dies alles in einen Text zu stecken fiel mir nicht leicht.
Einer der wichtigsten Momente für mich war, als ich gemerkt habe, was ich da überhaupt mache.
Ich saß im Computerlabor in der „Nambala Primary School“ und schaute aus dem Fenster. Wie schon die Tage davor arbeitete ich an den Plakaten für die Lehrer. Sie hatten mir circa 30 verschieden Bücher hingelegt, aus denen ich Landkarten, Schaubilder zur Energiegewinnung, die Organe des Körpers, Safari-Tiere und Anleitungen zur Körperhygiene abmalen sollte. Dies bereitete mir eine große Freude, trotzdem schweifte mein Blick natürlich hin und wieder ab und hinaus in die tansanische Landschaft. Für die, die diesen Ort nicht kennen: die Nambala Primary School liegt auf einem Hügel, von dem aus man auf der einen Seite bis zum Kilimanjaro blicken kann, auf der anderen Seite über die Hochebene bis hinten zu den „Pare Mountains“.
An diesem Tag war die Sicht besonders gut, die Regenzeit neigte sich dem Ende zu und jedermann freute sich über die ersten Sonnenstrahlen.
Vor den Fenstern standen ein paar Schulkinder, alle mit dicken Wollmützen auf dem Kopf und großen, neugierigen Augen. Alle wollten wissen, was ich da mache und ducken sich lachend weg, wenn ich sie bemerkte. Irgendwas an der Gesamtsituation lies es mich dann auf einmal begreifen. Dass ich da saß, mitten in Afrika, mit einer festen Aufgabe, mit Lehrern und anderen Menschen, die mich mit Dankbarkeit überschütteten, einfach nur, weil ich mitmachte. Wie herzlich ich von Familie Mshana aufgenommen wurde, als wäre ich tatsächlich ein Familienmitglied. Wie gut mir dieses Projekt gefiel, in welchem ich das Gefühl hatte, tatsächlich etwas bewegen zu können.
Natürlich war es auch nicht immer nur rosig. Manchmal bin ich zum Beispiel fast durchgedreht, weil Baraka und Nehemia, mit denen ich die ganze Zeit über zusammen arbeitete und unterwegs war, ein etwas anderes Bild von effektiver Zeitnutzung hatten als ich. Und obwohl ich eine wirklich lange Zeit da war, habe ich mich auch nie daran gewöhnt, dass man in der Regel erst zwei bis drei Stunden nach verabredeter Zeit auftaucht. Dabei bin ich in Deutschland immer eher unpünktlich.
Aber die Art und Weise, wie man hier miteinander im Dialog steht, hat mich von Anfang an beeindruckt. Ich wusste vor meiner Ankunft in Nambala nicht wirklich viel über das Projekt und wurde einfach von Baraka und Nehemia mitgenommen, kriegte also nach und nach alles mit, wurde immer mehr Leuten vorgestellt und machte mich dann irgendwann auf eigene Faust auf den Weg.
Zu Beginn ging es vor allem darum, die verschiedenen Familien zu besuchen und eine Art Bestandsaufnahme durchzuführen. Wo ist das Geld bereits angekommen, wo wird noch welches benötigt, nutzen die Familien es sinnvoll und was wünschen sie sich eventuell? Nehemia übersetzte mir alles. Es war sehr interessant, die Umstände so hautnah mitzuerleben, manchmal toll, weil man sah, wie sich eine Familie schon in der kurzen Zeit meines Aufenthalts entwickelte und es ihnen merklich besser ging, manchmal auch herzzerreißend traurig. Das ein oder andere Schicksal ist eben doch sehr schwer zu verarbeiten. Beispielsweise traf mich das Leid der Familie Rhamadani sehr: eine recht junge Mutter, an AIDS erkrankt, lebte in einer winzigen Hütte. Während meines Aufenthalts verstarb sie und hinterließ vier Kinder, bei denen geklärt werden musste, wie es nun mit ihnen weitergehen würde. In solchen Momenten fragte ich mich dann, warum die Welt manchmal so ungerecht ist.
Rückblickend würde ich aber sagen, dass die Gespräche genauso auch ohne mich geklappt hätte, denn Nehemia besitzt ein großes Einfühlungsvermögen und kann gut mit allen Situationen umgehen. Er bräuchte nur noch etwas mehr Mut, selber Entscheidungen zu treffen. Diesen Mut könnte Nehemia, glaube ich, am ehesten dadurch erlangen, dass er eine bessere Position mit mehr persönlichem Spielraum zugesprochen bekommt. Dies geht dann damit einher, dass er auch bezahlt wird und damit nicht mehr so abhängig von Baraka ist.
Das Projekt läuft sehr gut, ich habe nur gemerkt, wie wichtig es ist, dass immer Leute da sind, die sich kümmern, um unter anderem auch Baraka zu entlasten. Deshalb wäre die Finanzierung von weiteren Arbeitskräften vor Ort ein Thema, mit dem ich mich gerne beschäftigen würde.
Die verschieden Projekte, die gemeinsamen Abendessen mit der Familie Mshana und vielen Freunden, die Fahrradtouren mit Nehemia durch gefühlt ganz Tansania, die gemeinsamen Reisen und Ausflüge und die unglaublich Offenheit und Gastfreundschaft, die mir entgegengebracht wurde, all das hat die Zeit so besonders für mich gemacht, dass ich noch Stunden lang weiter erzählen könnte.
Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch in Nambala.
Eure Annkathrin